Wurzelwerk

für symphonisches Blasorchester

Kompositionsauftrag der Stadt Neunburg vorm Wald anlässlich des 1000-jährigen Stadtjubiläums im Jahr 2017
Entstehung: 2016
Uraufführung: 25.12.2016, Neunburg vorm Wald

 


 

Wurzelwerk ist ein großes Klanggemälde, welches verschiedene Aspekte der Stadt Neunburg vorm Wald sowie den Bezug der Menschen zu ihrer Stadt im übertragenen Sinne beschreibt. Dabei greift das Stück musikalische Elemente auf, die in Verbindung mit der Stadt und ihrer Geschichte stehen. Diese Inhalte sind aber nicht konkret, erzählen keine Geschichte, sondern sind nur Anklänge, die bei jedem Hörer andere Assoziationen hervorrufen können: Der Eine erinnert sich vielleicht an ein konkretes Stück (z.B. eine Polka, einen Walzer oder einen Zwiefachen), der Andere hat vielleicht nur das vage Gefühl von „etwas Bekanntem“. Der Titel „Wurzelwerk“ kann auf verschiedene Weise gedeutet werden: Einerseits hat er eine inhaltliche Bedeutung. Bereits der Name der Stadt Neunburg verweist auf den „Wald“, welcher auch das Landschaftsbild der Umgebung entscheidend prägt. Die Natur als immer dagewesener Ursprung der Stadt klingt im Stück immer wieder an, insbesondere durch das „Wald“-Horn mit einer Abwandlung der Hornquinten-Motivik, die die Tradition klassisch-romantischer Orchestermusik stark geprägt hat. Gleichzeitig ist der Wald, besonders der bayerische und der böhmische Wald als Region, auch die „Wiege“ der Blasmusik. Diese Musiktradition stellt wiederum einen starken Bezug zum Thema „Heimat“ her und bildet auch die „musikalische Wurzel“ der symphonischen Blasmusik in unserer Region. Auf die bayerisch-böhmische Blasmusik nimmt das Stück daher immer wieder Bezug – zunächst in Form von sehr kurzen Fragmenten (Terzen-Melodien in Klarinetten und Tenorhörnern). Später nehmen diese Elemente mehr Raum ein und es erklingen längere Melodielinien sowie rhythmische (Posaunen, Schlagzeug) und klangliche (Akkordeon) Assoziationen an die traditionelle Blas- und Volksmusik.

Im übertragenen Sinne kann die Struktur des Waldes – oder die eines Baumes – auch auf die Bedeutung der Stadt für ihre Menschen bezogen werden. Gerade wer nach Höherem strebt, muss mit beiden Beinen am Boden stehen und sich seiner „Wurzeln“ bewusst sein. Daraus ist die Struktur des Stückes inspiriert, welches aus der Tiefe, aus einem „erdigen“ Klang nach oben entwickelt, ohne jedoch die Verbindung zu seinem Fundament zu verlieren. Die formale Anlage von Wurzelwerk folgt einer großen Entwicklung und ist im Prinzip dreiteilig. Der erste Teil beginnt in einer Klangfläche, die bereits mehrere musikalische Assoziationen beinhaltet, insbesondere an Naturhaftes (Hörner). Übrig bleibt eine Einstimmigkeit (T. 31 ff.), die sich durch klangliche Überblendungen nach und nach ins Bassregister vorarbeitet, unterlegt von einem treibenden Rhythmus der Trommeln. Aus der Tiefe („Wurzel“) beginnt dann nach und nach eine groß angelegte Steigerung (ab. T. 57), die sich in die Höhe entwickelt, lauter wird und nach und nach das ganze Orchester einbezieht. Diese Entwicklung wird zweimal abrupt von Anklängen an bayerisch-böhmische Blasmusik unterbrochen (Terzen-Motive in Tenorhörnern und Klarinetten), bis sie schließlich den Höhepunkt erreicht (T. 171). Ein stehender Klang (T. 175) führt hinüber in den langsamen Schlussteil. Über dem Basston der Tuba erhebt sich eine leise Klangfläche, die die verschiedenen musikalischen Assoziationen aufgreift und ausbaut. Alle wichtigen Anklänge treten hier nochmals auf: Das Naturhafte (Hornquinten), das Bayerisch-Böhmische (Melodiefragmente in Klarinetten, Flügelhörnern, Tenorhörnern, das Akkordeon als klangliches Element, Polka-/Zwiefacher-Begleitung in Posaunen und Schlagzeug) und die Klangfläche des Beginns (Tuba, Flöten). Nach einem melodischen Ausbruch der solistischen Klarinetten verklingt das Stück über dem wieder aufgegriffenen rhythmischen Element der Trommeln.


Christof Weiß



© Christof Johannes Weiß 2020